Grüße aus dem Land des Eises


Hannah am Ufer des Jenisej

Borsch, Braunbären, Schneestürme und Vodka - mit den Vorurteilen, die wir Europäer gegenüber Sibirien haben, ist es kein Wunder, dass es die Wenigsten in dieses Weite Gebiet Russlands verschlägt. Dass die europäische Vorstellung des „Wilden Ostens“ alles andere als zutreffend ist, kann ich nach 3 Wochen in der Stadt Krasnojarsk, mitten im Herzen Sibiriens, bestätigen.

Ja, Freunde, ich lebe noch! Wer hätte es gedacht? Nach all den Standpauken, Gebeten und Segnungen, die ich vor meiner Abreise über mich ergehen lassen musste, hätte man meinen können, ich würde bald zum Mond fliegen. Doch die Notessensrationen meiner Großmutter waren schlussendlich doch überflüssig im Gepäck - von Anfang an fühlte ich mich hier so willkommen und gut aufgehoben wie zuhause bei meinen Eltern. 

Das hat nicht nur mit der unglaublichen Gastfreundschaft zu tun, die ich hier bedingungslos sogar von Fremden erfahre, sondern auch mit der wunderbaren Koordination durch die sibirische NGO INTERRA, die mich bei der Vorbereitung meines Aufenthaltes weitgehend unterstützt hat und auch vor Ort ein verlässlicher Ansprechpartner ist. Obwohl es ein schwerer und langer Prozess war, einen erfolgreichen Schüleraustausch privat auf die Beine zu stellen, hat es sich schlussendlich definitiv gelohnt. Nicht nur, weil die Kosten viel geringer sind, sondern auch und vor allem, weil ich mich auf diese Weise viel aktiver am Organisationsprozess beteiligen und unzählige neue Kontakte in Österreich und Russland knüpfen konnte. 

Doch wie ist es denn nun im großen, weiten Russland? Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mich auf einiges eingestellt hatte - schlechtes Essen, kalte Duschen, Fremdenfeindlichkeit und Frostbeulen inklusive. Doch all meine Erwartungen (und Vorurteile) wurden mit der Landung in Krasnojarsk zunichte gemacht. Die Stadt sah schon aus der Luft so wunderschön, leuchtend und lebendig aus, dass ich mich nur sehr schwer von der Fensterscheibe lösen konnte, um meinem neugierigen Sitznachbarn auch einen kurzen Blick zu gewähren. Am Flughafen wartete schon meine Gastfamilie auf mich - der große Moment war gekommen, meine Sprachkenntnisse auf die Probe zu stellen. Und die Verständigung funktionierte! Wir sprachen den gesamten Abend auf Russisch und ich fungierte als Dolmetscherin für meinen Vater (der auch ein paar Tage in der Stadt verbrachte, um meine Gastfamilie kennenzulernen und mir den Einstieg zu erleichtern). Weil ich in den Ferien angereist war, hatte ich fast eine ganze Woche Zeit, um meine Gastfamilie besser kennenzulernen und mich mit meinen beiden Schwestern Anna (17) und Mascha (10) anzufreunden. Alle bemühten sich sehr um uns: wir waren oft in der Stadt, besuchten die wichtigsten Sehenswürdigkeiten und aßen traditionelle russische Speisen wie Borsch und Pelmeni. 

Einen Tag vor Ferienende besuchte ich zum ersten Mal meine neue Schule, das Gymnasium Nr. „Univers, das zurecht den Ruf als beste Schule der Region hält. Dort warteten schon einige von Annas Freundinnen und auch unser Klassenvorstand Denis Viktorevitsch, die ihren letzten Ferientag opferten, um die Türe zum Klassenzimmer zu bemalen. Ich wurde sehr herzlich empfangen und merkte schnell, dass auch hier das Vorurteil gegenüber Russen als „ernste, strenge und verschlossene Menschen“ komplett abprallte. Wir hörten alle gemeinsam Musik, aßen Kekse und unterhielten uns sehr gut mit Denis Viktorevitsch, der zu meinem Erstaunen ein bisschen Deutsch sprach und als Mittel einsetzte, um seine Schüler und Schülerinnen während der Stunde mit plötzlichen Ausrufen („Hände hoch!“) aus dem Tiefschlaf zu rütteln.   

Der erste Schultag verlief ähnlich - viele neue Gesichter und Namen, viele neue Menschen, die mich willkommen hießen und mehr über mich und meine Heimat Österreich erfahren wollten. Als einzige Ausländerin in der Schule fiel von vornherein sehr viel Aufmerksamkeit auf mich - manchmal sogar mehr, als mir lieb war. Was den Unterricht betrifft, war der Anfang nicht mal so schwer, wie erwartet. Inzwischen habe ich mich etwas eingelebt, melde mich ab und zu im Unterricht, rechne Beispiele an der Tafel und habe sogar mein erstes Referat hinter mir. 

Alles in allem kann ich sagen, dass meine Erfahrungen in Krasnojarsk bisher alle meine Erwartungen übertroffen haben. Mir gefällt es hier sehr, ich fühle mich wohl und habe das Gefühl, jeden Tag etwas Neues zu lernen, sei es nun ein neues Vokabel oder eine Lektion fürs Leben. Ich bin allen extrem dankbar, die mir dieses wunderbare Erlebnis und Abendteuer ermöglicht haben, allen voran meinen Eltern, meinem Russisch-Lehrer Jakob Starzinger, Ilja Baskakov, Lidia Grizenko und natürlich Pater Sebastian Hacker, der mich bei meinem Vorhaben durchgehend unterstützt hat. 

Schüler aus dem Krasnojarsker Gymnasium haben sich schon für einen Austausch mit Österreich interessiert. Bei mir hat auch ein Schüler gewohnt.

Ich hoffe sehr, dass meine Erfahrungen auch anderen den Weg ebenen, die sich auf das Abenteuer Russland/Sibirien einlassen wollen! Ich würde es definitiv empfehlen! 


Hannah Dahl, 17-jährige Schülerin aus Niederösterreich