Der spontane Besuch der Botschafterin
Es war eine Überraschung für die Schüler des Billrothgymnasiums und des Schottengymnasiums, als Frau Botschafter Mag. Bernadette Klösch kurzfristig Zeit fand, um die Schule 40 in Riga zu besuchen. Sie erzählte im Lesesaal der Schule, wo am Vormittag der gemeinsame Englischunterricht von russischen und österreichischen Schülern stattgefunden hatte, von ihrer Tätigkeit als Diplomatin, ihrem beruflichen Werdegang und den Beziehungen zwischen den EU-Mitgliedern Lettland und Österreich. Dann stellte sie sich den Fragen der Schüler. Bei der anschließenden Führung durch die Schule und das Schulmuseum im historischen Jugendstilgebäude erfuhr sie über die Geschichte der Institution: 1906 gründete ein Lehrerehepaar die Schule als erste lettischsprachige Schule im Russischen Imperium. In der Periode der lettischen Unabhängigkeit wurde die Schule zum Ausbildungsort der russischen Minderheit, bis sie in der Zeit der deutschen Besatzung geschlossen wurde und nach dem Krieg wieder mit dem Russischunterricht begann. Heute bemüht sich die Schule um den Erhalt der russischen Sprachkultur für die Schüler, die alle russische Wurzeln haben und sich selbst als Russen bezeichnen. Frau Botschafter interessierte sich für die Situation der russischsprachigen Minderheit im modernen Lettland. Die Russischlehrer des Schottengymnasiums erzählten von ihren Beobachtungen, dass aktuell die Rechte der russischprachigen Letten im Vergleich zu den Minderheitenstandards in Österreich stark eingeschränkt werden.
Die Schule Nr. 40 hat Schüler aus 20 verschiedenen Ethnien, die Russisch zu ihrer Mutter- bzw. Kultursprache zählen. So wurde im Gespräch eine besondere Tradition erwähnt, die in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion bzw. des Russischen Imperiums den multinationalen Alltag prägt: Die Schüler der Schule Nr. 40 sind lettische Staatsbürger und benennen sich nach ihrem Ethnos "Russen". Dieser Sprachgebrauch hat seine Parallelen in Minderheitenregionen Westeuropas: Mag. Michael Gurschler, Russischlehrer im Schottengymnasium, berichtete aus Südtirol, wo es ein "italienisches" und ein "deutsches" Schulamt gibt und sich die deutschsprachigen Südtiroler als Deutsche bezeichnen, obwohl sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben.
Frau Botschafter Klösch wurde im Museum der Schule die Geschichte und gegenwärtige pädagogische Ausrichtung der Bildungseinrichtung präsentiert. Frau Direktor Elena Sergeevna Vediščeva (Елена Сергеевна Ведищева) berichtete ihr von den Medienkontakten der Schule, da sie selbst regelmäßig zu pädagogischen und schulpolitischen Themen im lettischen Fernsehen Stellung nimmt. Da es seit 2016 keine eigene Botschaft in Riga gibt, kommt Frau Botschafter tageweise nach Riga, um die diplomatischen Kontakte zu pflegen. Diese Woche fand ein Ministertreffen der EU in Riga statt.
Dieser Tag mit dem Besuch der Botschafterin war der erste Schultag für die Wiener Schüler in Riga. Am Vormittag wurde für jeden von ihnen ein russischer Partnerschüler ausgewählt, der nach der Begrüßung durch die Direktorin seinem ausländischen Gast das Schulgebäude zeigte. Dem gemeinsamen Unterricht in Englisch bzw. Deutsch folgte der Besuch des täglichen Orgelkonzerts in der evangelischen Kathedrale "Домский собор" ("Domkirche") der Stadt Riga. Die Orgel ist berühmt, weil sie zum Zeitpunkt ihrer Errichtung 1884 durch die deutsche Firma Walcker weltweit die größte war. Die Organistin präsentierte eindrucksvoll Werke von Bach und Widor. Am Nachmittag zeigten die Partnerschüler ihren Gästen ihrer Lieblingsplätze der Stadt: «Рига – как я её люблю и знаю» ("Riga - wie es liebe und kenne").