Moskau am Abend des 10.10.2015
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Was ist orthodox an der Orthodoxen Schulbibel?


DDr. Johann Krammer

Kurzfassung des Referats am Studientag der KPH Wien/Krems

Einführung

Im Oktober 2015 erschien im Österreichischen Bibelwerk im Auftrag des Orthodoxen Schulamtes in Österreich die Orthodoxe Schulbibel. DDr. Johann Krammer war der verantwortliche Bearbeiter und Redakteur. Univ.-Prof.  Dr. Konstantinos Nikolakopoulos von der Universität München und Univ.-Ass. Dr. Ioan Moga von der Universität Wien nahmen die wissenschaftliche Beratung wahr. Es handelt sich um die erste Orthodoxe Schulbibel im gesamten deutschen Sprachraum. Nicht nur einmal wurde ich gefragt, warum die Orthodoxen eine eigene Schulbibel brauchten, sie könnten doch eine der bereits verwendeten Schulbibeln einer anderen Konfession mitverwenden.

Die wichtigsten Überlegungen, die zur Herausgabe einer eigenen Schulbibel führten, seien im Folgenden angeführt.

1. Die äußere Gestaltung

Das alles bestimmende orthodoxe religionspädagogische Grundprinzip lautet: Vom Sichtbaren zum Unsichtbaren. Dieses Prinzip gründet im Ereignis der Inkarnation Gottes in unserer Welt. Alles in der Kirche soll die Gläubigen vom Irdischen zum Überirdischen, von der Welt zu Gott führen. Daher war es für uns von Anfang an klar, dass die Schulbibel schon in ihrer äußeren Gestaltung dieses Prinzip verwirklichen soll – ein optisch ansprechender und haltbarer Einband, eine echte haltbare Fadenbindung, wenige, aber hochwertige und die Vielfalt der orthodoxen Kirche zum Ausdruck bringende Bildauswahl (vier der abgebildeten Ikonen stammen von in Wien wirkenden Ikonenmalern, von Erzpriester Chrysostomos Pijnenburg von der Russischen Orthodoxen Kirche und Priester Razvan Florin Gasca von der Rumänischen Orthodoxen Kirche). Weiters sollte auch die Auswahl des Papiers der Würde des Wortes Gottes Rechnung tragen: kein Dünndruckpapier, geschweige denn Recyclingpapier. Die Farbe der drei Lesebänder entspricht den Farben des Umschlags und der Umschlagikone „Der Erlöser mit den himmlischen Mächten“. Dieses orthodoxe religionspädagogische Grundprinzip findet in einem der Romane Fedor Dostoevskijs einen markanten literarischen Ausdruck:

Die Schönheit wird die Welt retten.

Wir sind der Österreichischen Bibelgesellschaft als Herausgeber der Orthodoxen Schulbibel sehr dankbar, dass sie von Anfang an unseren diesbezüglichen Vorstellungen volles Verständnis entgegengebracht hat.

2. Die Auswahl

Ursprünglich dachten wir, allein die vier Evangelien herauszugeben. Aus religionspädagogischen Überlegungen schien uns das in Anbetracht der Adressatengruppe (Schüler und Schülerinnen der Sekundarstufe I) angebrachter als die Herausgabe eines vollständigen Neuen Testaments. Dabei beschlossen wir, nach den vier Evangelien die Apostelgeschichte anzufügen, da in ihr die für die Orthodoxie so wichtige apostolische Tradition einen besonderen Stellenwert einnimmt, was auch in der liturgischen Praxis der Orthodoxen Kirche seinen Ausdruck findet. Schließlich besannen wir uns auch einer alten orthodoxen Gepflogenheit, Ausgaben des Neuen Testaments in den verschiedenen Sprachen auch das Psalterium hinzuzufügen. Es wurden speziell solche Psalmen ausgewählt, die häufig im Gottesdienst verwendet werden bzw. auch für das persönliche Gebet der orthodoxen Christen wichtig sind. In die Auswahl wurde auch eine Reihe von „messianischen“ Psalmen aufgenommen, die sich prophetisch auf Christus und auch die Kirche beziehen.

3. Die Übersetzungen

Als orthodoxer Urtext des griechischen Neuen Testaments gilt die sog. byzantinische Textversion, wie sie seit Jahrhunderten in der liturgischen Praxis der Orthodoxen Kirche überliefert worden ist. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Liturgie die Norm für die Entstehung des Neuen Testaments ist. Das im Westen verbreitete Novum Testamentum Graece – etwa in der Ausgabe von Nestle-Aland – fußt auf einer wissenschaftlich kritischen Verwendung der verschiedensten Quellen und leistet für die wissenschaftliche Erforschung des neutestamentlichen Textes eine bedeutende Funktion. Für die Orthodoxe Kirche ist jedoch die byzantinische Textversion ausschlaggebend. 

Eigentlich hätten für die Orthodoxe Schulbibel die Evangelien und die Apostelgeschichte aus der byzantinischen Textversion neu ins Deutsche übersetzt werden müssen. Da dafür einfach die Zeit fehlte, wählten wir ein anderen Weg: Wir verwendeten als Ausgangstext eine bestehende deutsche Übersetzung, u.zw. die Bibelübersetzung des Verlags Herder 2005, verglichen sie mit der byzantinischen Textversion und brachten dort Korrekturen an, wo sie uns als unumgänglich erschienen.

Mit der Psalmenübersetzung war es noch etwas schwieriger. Fast alle deutschen Psalmenübersetzungen der neueren Zeit fußen auf der Hebräischen Bibel, während die Orthodoxe Kirche für das Alte Testament ausschließlich den Text der Septuaginta verwendet. Es existiert zwar seit einigen Jahren eine sehr nützliche Ausgabe der Septuaginta Deutsch (Deutsche Bibelgesellschaft 2009). Es handelt sich dabei ebenfalls um eine textkritische Ausgabe, die orthodoxe Lesart erscheint höchstens in Fußnoten. Daher ist auch diese Übersetzung für den liturgischen Gebrauch ungeeignet. Wir entschieden uns als Ausgangstext für die auf der Vulgata fußende Psalmenübersetzung von Josef Franz Allioli (1851), die von Hermann Tillmann für den ostkirchlichen liturgischen Gebrauch 1989 nach der Septuaginta redigiert wurde. Aber auch hier waren noch manche zusätzliche Korrekturen vonnöten. 

4. Die Korrekturen

Im Gesamten wurden ca. 5000 bis 6000 Korrekturen durchgeführt. Der größere Teil dieser Korrekturen war orthographischer Art und ergab sich auch daher, dass aus der Haltung der Ehrfurcht heraus gemäß einer alten griechischen Tradition jene (persönlichen, rückbezüglichen, bezüglichen, hinweisenden u.a.) Fürwörter, die sich auf Gott bzw. Jesus Christus beziehen, mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben wurden. Dennoch mussten nicht wenige inhaltliche Korrekturen durchgeführt werden. Diese wurden am Schluss des Anhangs dokumentiert.

Als Beispiele für solche Korrekturen seien vier Textstellen angeführt:

- Lk 2,32: Treffen mit Simeon im Tempel

Herder-Übersetzung: Sein Vater und seine Mutter wunderten sich, was von ihm gesagt wurde.

Korrigierter Text: Josef und Seine Mutter wunderten sich über das, was von Ihm gesagt wurde.

- Mk 9,29: Die Heilung eines kranken Jungen

Herder-Übersetzung: Er antwortete ihnen: Diese Art kann nur durch Gebet ausgetrieben werden.

Korrigierter Text: Diese Art kann nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden.

- Apg 14,23: 1. Missionsreise des hl. Apostels Paulus

Herder Übersetzung: In jeder Gemeinde wählten sie Älteste für sie aus und empfahlen sie unter Gebet und Fasten dem Herrn.

Korrigierter Text: In jeder Gemeinde wählten sie durch Handauflegung Älteste für sie aus …

- Ps 103,25-26:

Allioli-Text redigiert: Dies große Meer, das ausbreitet seine Arme, … dort ziehen Schiffe dahin, das Meeresungeheuer, das Du gemacht, um damit spielen zu können.

Korrigierter Text: Dies ist das große und weite Meer, … dort ziehen Schiffe dahin, das Meerungeheuer, das Du gemacht, um seiner zu lachen.

5. Der Anhang

Der Anhang beginnt mit Anmerkungen des Bearbeiters und Redakteurs DDr. Krammer, in denen er seine Arbeitsprinzipien kurz darlegt. Nach einer Zusammenstellung von Maß-, Gewichts- und Geldeinheiten im Neuen Testament und drei biblischen Landkarten folgt eine Liste von Lesungen aus den Evangelien und der Apostelgeschichte an den wichtigsten Sonntagen und Festen der Orthodoxen Kirche. Damit setzt die Orthodoxe Schulbibel bewusst einen liturgischen Schlusspunkt.

Abschluss

Die Schulbibel verzichtete mit voller Absicht auf einführende Erläuterungen zu den biblischen Büchern und Fußnoten zu den Texten mit Erklärungen und Anmerkungen, damit die Kraft des Wortes der Göttlichen Offenbarung durch nichts geschmälert würde.

Wie jede orthodoxe Bibelausgabe benötigte auch die Orthodoxe Schulbibel der kirchlichen Approbation durch den zuständigen Metropoliten. Es war eine große Freude für den Herausgeber und die Redaktion, dass der Metropolit von Austria Dr. Arsenios (Kardamakis) keinen Augenblick  zögerte, der Orthodoxen Schulbibel die kirchliche Approbation zu erteilen. In seinem Approbationsschreiben, das am Beginn der Schulbibel abgedruckt ist, heißt es wörtlich: „Möge der Herr Seine überreiche Gnade all denen schenken, die ihr Herz für Sein Wort öffnen, im besonderen den Schülerinnen und Schülern des Orthodoxen Religionsunterrichts in Österreich, aber auch ihren Familien und allen orthodoxen Christen in unserem Land.“ 

Die Orthodoxe Schulbibel wurde von der Österreichischen Bibelgesellschaft (1070 Wien, Breite Gasse 4-8/1) im Auftrag des Orthodoxen Schulamtes herausgegeben.

Der Preis im freien Verkauf beträgt 20,50 Euro (Stand Jänner 2016). Die Schüler erhalten die Bibel im Rahmen der Schulbuchaktion, jedoch nicht über die Direktionen der Schulen, sondern über das Orthodoxe Schulamt und die betroffenen Religionslehrer.




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